Das Licht am Ende des Tunnels

18. November 2022

Alfons Cortés ist ein erfahrener Experte bezüglich der technischen Analyse von Finanzmärkten. Seit über 50 Jahren ist er an der Börse unterwegs und unterstützt mit seiner Erfahrung und Expertise unter anderem die acrevis Bank als Mitglied des Anlagekomitees bei ihren Anlageentscheidungen. In diesem Fachtext gibt er eine technische Einschätzung der vergangenen und momentanen Entwicklung an der Börse ab.

Das Jahr 2022 hat viele Anlegende erschreckt. Zeitweise lagen die Minuszahlen je nach Index zwischen 20 und 30%. Mitte November, zum Zeitpunkt, als dieser Beitrag verfasst wurde, sieht es weniger düster aus. Aus markttechnischer Sicht zeichnete sich schon lange ab, dass 2022 nicht in ein ähnliches Desaster wie 2008 münden würde, als die breit verfassten Indizes mehr als 80% und 90% der kotierten Aktien mit in die Tiefe riss.

Auch Mitte November ist noch die grosse Frage die, ob der Rückschlag dieses Jahres, der nicht nur im Weltindex seine Spuren hinterliess, sondern auch in den Messlatten aller Länder und Sektoren, mit Ausnahme des MSCI Energy, auf etwa aktuellem Niveau Halt gefunden hat oder ob mit weiteren Abschlägen zu rechnen ist.

Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, muss man sich sozusagen in den «Maschinenraum» begeben. Das heisst, dass man untersuchen muss, was unterhalb der breit aufgestellten Indizes geschieht. Und das ist eine ganze Menge, die aus meiner Warte ermutigend ist.

Bei den Aktien ist es so wie bei der Basler Fasnacht. Einzelmasken können ganz unterhaltsam sein, aber es braucht die Cliquen als prägende Elemente. Genau so ist es an der Börse. Hier braucht es keine Cliquen, sondern Cluster, das heisst ganze Gruppen von Aktien, die von Unternehmen emittiert worden sind, die eine einigermassen kohärente Branche ausmachen. Warum ist das so wichtig? Weil durch die Clusterbildung erkennbar wird, dass die betreffende Branche und nicht nur die einzelnen Unternehmen positiv beurteilt werden. Es ist nämlich ein grosser Unterschied, ob die Ursache für die Käufe in der günstigen Beurteilung einer Branche liegt oder ob Aktien einzelner Unternehmen gekauft werden, in der Annahme, dass sie Mehrwert liefern obwohl das Umfeld nicht vorteilhaft sind.

Seit Mitte Oktober treten positive Cluster zunehmend in Branchen in Erscheinung, die einen zyklischen Charakter aufweisen. Derweil kam der Druck auf die breit verfassten Indizes insbesondere ab Mitte August aus sehr hochkapitalisierten Aktien zustande, deren Abwärtstrends sich beschleunigten.

Nun stehen auf der einen Seite starke bisherige Abwärtstrends in sehr schwergewichtigen Aktien und auf der anderen Seite gibt es eine ganze Reihe von Branchen, deren Aktien über lange Zeit relativ schwach waren oder sogar grössere Kursverluste hinnehmen mussten, und neuerdings frisch begonnene positive Kurs- und relative Trends aufweisen. Das ist nicht das Muster, das für eine Fortsetzung der Baisse in den Indizes spricht. Das Licht, das ich zu erblicken meine, ist nicht eine entgegenkommende Lokomotive, sondern das Ende des Tunnels.

Alfons Cortés
www.alfonscortes.com