
«Wichtiger denn je bleibt die Neugier»
Reto Steurer ist Vizepräsident und langjähriger Kursleiter des Jugend-Elektronik-Zentrums (JEZ) St.Gallen. Er hat uns verraten, wie es zur Gründung kam und wie sich der Unterricht im Zeitverlauf verändert hat.
Herr Steurer, das JEZ existiert seit 1988, wie kam es zur Gründung?
Am Anfang stand eine Idee respektive ein Mangel. Nämlich ein Mangel an Lehrlingen. Die Initianten des JEZ waren überzeugt, dass sich der Lehrlings- und Fachkräftemangel in der Schweiz weiter verschärfen werde. Zudem ging die Schule zu wenig auf die konkreten Bedürfnisse der Wirtschaft ein. Ins Leben gerufen wurde der Trägerverein des Jugend-Elektronik-Zentrums (JEZ) vom Serviceclub 51 in Mörschwil. Die Mitglieder des Serviceclubs suchten nach einer sinnvollen Aufgabe im Dienst an der Allgemeinheit. Unterstützt wurden sie im Vorhaben von Partnerfirmen wie Grossenbacher, Metrohm, Swisscom, der Spühl-Stiftung sowie dem Kaufmännischen Direktorium.

Gab es noch andere Gründe?
Jugendliche sollten für eine sinnvolle Beschäftigung gewonnen werden. Den Initianten war wichtig, die Kosten für die Teilnehmenden so tief wie möglich zu halten. Ursprünglich lag der Beitrag bei einem Franken pro Schüler und Stunde, der Rest wurde über Sponsoren finanziert. Der Trägerverein seinerseits stellte die nötigen Rahmenbedingungen bereit: die Räumlichkeiten, Lehrpersonen aus der Praxis und das benötigte Material. Unterdessen kostet der Kurs mehr als einen Franken, das Angebot bleibt bis heute aber sehr günstig.

Wie finanziert sich das JEZ?
Das JEZ ist ein selbsttragender Verein, der durch Kurskosten, Sponsoren und den Trägerverein finanziert wird. Der grösste Ausgabeposten ist die Raummiete. Weiter folgen Kosten für die Kursleiter und Helfer. Das JEZ ist auch ein bisschen Opfer des eigenen Erfolgs. Finden viele Kurse statt, steigt das Defizit, denn die variablen Kosten, also die Kursdurchführungskosten mit Kursleiter und Material, nehmen mit der Nachfrage zu. Ziel ist es jedoch nicht, Gewinn zu machen, sondern primär soll die sinnvolle Ausbildung im Vordergrund stehen.

Wie lange befinden sich die Räumlichkeiten bereits im Smartfeld?
Anfangs war das JEZ an der St.-Leonhard-Strasse 76, ab 1995 an der Helvetiastrasse 47 und seit 2023 sind wir im Smartfeld (Innovation Park Ost, neben der Empa), wo uns optimale Infrastrukturbedingungen zur Verfügung stehen.
Wie frei ist das JEZ in der Kursgestaltung?
Seit wir im Smartfeld sind, ist das JEZ stärker eingebunden, etwa im Rahmen des Lehrplans 21: Die Ziele sind vorgegeben, der Weg dorthin bleibt aber offen. Im gleichen Gebäude befinden sich auch die Pädagogische Hochschule PHSG, die Fachhochschule Ost und Start-ups, was eine engere persönliche Vernetzung ermöglicht. Wichtig bleibt, dass die Jugendlichen elektrische Grundlagen, Bauteilkenntnisse und handwerkliche Fähigkeiten erlernen.

Wer leitet die Kurse für die Kinder und Jugendlichen?
Die Kursleiter des JEZ sind keine Lehrer im klassischen Sinn, sondern Praktiker: zum Beispiel Elektriker oder Elektroniker, die mitten im Berufsalltag stehen. Vollzeitprofis könnten wir uns nicht leisten. Wir wünschen uns mehr Kursleiter, beispielsweise pensionierte Fachkräfte, und eine bessere Vernetzung mit Lehrbetrieben, um das Angebot erweitern zu können. Wertvoll ist die Zusammenarbeit mit der Gewerblichen Berufsschule (GBS) im Riethüsli, vor allem bei der Rekrutierung von lernenden Elektronikern im dritten und vierten Lehrjahr. Diese unterstützen als Kurshelfer und können dank ihres Alters auf Augenhöhe mit den Jugendlichen reden.

Welche Kurse bietet das JEZ aktuell an?
Das Kursangebot des JEZ ist vielfältig und richtet sich an unterschiedliche Altersgruppen. Besonders beliebt ist der Juniorclub ab 9 Jahren, teilweise nehmen sogar schon Jüngere teil. Die monatlichen Samstagstreffen, am Vormittag und am Nachmittag mit je rund 12 Kindern und drei Kursleitern, sind meist ausgebucht. Vermittelt werden einfache praktische Fertigkeiten wie Löten von Bausätzen und altersgerechte Theorie, ab etwa 12 Jahren dann auch Elektronikgrundlagen, die den primären Schulstoff übersteigen, wie das Ohm’sche Gesetz oder Leistungsberechnungen. Oft wirken auch Lernende im dritten oder vierten Lehrjahr als Kursleiter mit, was die Nähe zu den Kindern stärkt.

Und für ältere Jugendliche?
Für ältere Jugendliche gibt es Einstiegskurse ab 12 Jahren: acht Abende à zwei Stunden, in kleinen Klassen mit Anschauungsmodellen und strukturiertem Aufbau anhand eigener Kursunterlagen. Trotz Frontalunterricht, heute eher verpönt, schätzen gewisse Teilnehmende die klare und effiziente Lernform. Darauf aufbauend bietet das JEZ auch Fortgeschrittenenkurse an. Das Angebot ist allerdings von der Verfügbarkeit der entsprechenden versierten Kursleiter abhängig. Der Kurs führt auch in die Welt der Mikrocomputer, mit Fokus auf Schnittstellen zu weiterer Hardware, also z.B. das Anschliessen und Steuern von Motoren oder LEDs. Der Schwerpunkt liegt klar auf elektronischen Komponenten, nicht auf Softwareprogrammierung.

Wo liegt derzeit der Schwerpunkt bei der Ausbildung?
Die Arbeit des JEZ ist auf die Vermittlung von soliden Grundlagen ausgerichtet: von Halbleitern und Bauteilkunde bis zu praktischen Fähigkeiten wie Löten, Messen und Schrauben. Sicherheit wird dabei grossgeschrieben.
Wie unterscheidet sich das JEZ von anderen Angeboten?
Während es in der Region auch andere MINT-Kursangebote gibt, ist das JEZ stärker fachkundeorientiert. Es richtet sich besonders an Jugendliche, die sich für technische Berufe interessieren oder eine solide Basis für ihre Ausbildung suchen. Dank langjähriger Erfahrung bietet das JEZ einen strukturierten Zugang, der bewusst traditionell und grundlagenorientiert bleibt. Das Thema Sicherheit im Umgang mit Strom ist uns ein Anliegen. Wie vermeide ich einen Stromschlag, einen Brand oder wie entsorge ich Batterien?

Wie hat sich die Materie seit der Gründung entwickelt?
Das Umfeld, in dem das JEZ arbeitet, hat sich stark verändert. Früher waren Geräte reparierbar oder konnten ausgeschlachtet werden. Verstärker oder Lichtorgeln selbst zu bauen, war gängige Praxis. Heute lohnt sich das kaum noch: Allein die Bauteile sind teurer als fertige Produkte.
Was hat sich hinsichtlich der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen verändert?
Auch die Arbeitsvorstellungen haben sich verändert. Viele Jugendliche lassen sich heute von zum Teil falschen Informationen aus dem Internet inspirieren und vernachlässigen die physikalischen Grundlagen. Heutzutage gefragt sind dafür kreative Hacks, also Anpassungen käuflicher Geräte an die persönlichen Bedürfnisse oder kleine Reparaturen im Stil eines Repairshops, statt entsorgen. Wichtiger denn je bleibt aber die Neugier. Denn das Umfeld wandelt sich, aber mit Neugier und Innovationsgeist gelingt die Anpassung an die neuen Gegebenheiten. Der Grundgedanke des JEZ bleibt unverändert: dem Lehrlings- und Fachkräftemangel in technischen Berufen entgegenzuwirken und junge Menschen für die spannende, zukunftsorientierte Laufbahn zu begeistern.
