«Ab Herbst rechne ich mit dem Durchbruch»

Interview zum Anlegermagazin invest 03-2023

  • Thomas Lützenrath (55)

     COO von Swiss Clean Battery

Thomas Lützenrath (55) hat einen Plan. Einen Plan für eine Gigafactory – es wäre die erste in der Schweiz. Sieben Stockwerke hoch, bis zu tausend Arbeitsplätze und in 18 Monaten betriebsbereit – nach dem Spatenstich. So weit ist es aber noch nicht. Denn es fehlt die Finanzierung. Auf den ersten Blick eine Überraschung. Ist Lützenrath doch COO von Swiss Clean Battery. Das in Teufen, AR beheimatete Unternehmen hat eine Feststoffbatterie entwickelt, das laut dem Unternehmen der Konkurrenz überlegen ist: Die Batterie hält unendlich lange – oder zumindest 100’000 Ladezyklen –, hat keinen Leistungsverlust, ist schnellladefähig, nicht brennbar und hat im Vergleich zur Lithium-Ionen-Batterie eine 50%-bessere Umweltbilanz, auch weil sie ohne seltene Rohstoffe auskommt. Lützenrath war Informatikchef der Deutschen Telekom und Strategiechef des Reiseunternehmens Thomas Cook und geht im Gespräch auf die Vorzüge sowie Herausforderungen der Feststoffbatterie ein.

 

Herr Lützenrath, was ist das Geheimnis Ihrer Batterie?

Unsere Batterie nimmt die Alterung und damit den Leistungsverlust klassischer Batterien vorweg.

Wie das?

Batterien altern, weil beim Laden und Entladen eine Deckschicht entsteht. Das kann man sich bildlich wie eine Verkalkung vorstellen. Damit steigt der Innenwiederstand und die Leistung sinkt. Dieser Vorgang geht umso schneller, je mehr man Batterien stresst, also schnell lädt und entlädt. Bei uns passiert das nicht.

Warum nicht?

Günther Hambitzer, der Kopf hinter unserer Technologie, hat über Jahrzehnte geforscht, warum Batterien altern. Er hat den Stoff identifiziert, der bei der Alterung entsteht, und füllt ihn vorher in den Elektrolyt ein. Damit wird die Alterung des Elektrolyt vorweggenommen. Bei uns entsteht eine Deckschicht, aber diese wächst nicht weiter an. Das ist die erste Innovation. Die zweite Innovation ist, dass der Elektrolyt in der Batteriezelle fest wird, ähnlich einem Mehrkomponentenkleber. Diese Innovationen sind patentrechtlich geschützt.

Weshalb erzielt Ihre Batterie eine bessere Leistung?

Nehmen wir die Leitfähigkeit. Die meisten Feststoffbatterien entstehen durch physische Pressung fester Stoffe, die dann in die Zelle eingeführt werden. Atomar sieht das dann so aus wie bei einem Streuselkuchen. Liegen die Streusel aufeinander, fliessen die Ionen gut, liegen sie nicht aufeinander, fliessen sie schlecht. Wir füllen den Elektrolyten flüssig ein und beim ersten Laden wird er fest. Eine sehr gute Ionenleitfähigkeit ermöglicht extremes Schnellladen, ohne der Zelle zu schaden.

Sie hatten einst geplant, im Thurgau eine Fabrik zu bauen, dann hiess es 2024 würde in Domat/Ems Ihre Fabrik stehen. Auch eine Kotierung der Swiss Clean Battery AG wurde angekündigt. Realisiert wurde bisher aber noch nichts. Warum gibt es die Produktionsanlage immer noch erst auf Papier?

Uns fehlt noch die Finanzierung der Fabrik von etwa 400 Mio. Franken. Sobald wir diese haben, können wir die Bauanträge einreichen. Eingaben gibt es wahrscheinlich keine, denn die Unternehmen auf den Nebengrundstücken, Ems-Chemie und Hamilton, haben, soweit wir wissen nichts einzuwenden, und das Industrie-Grundstück gehört dem Kanton. Entsprechend rechnen wir mit einer raschen Bauvorgabe. Die Bestellungen der Maschinen sind auch bereit, ebenso die Testimonials der Maschinenbauer, die bestätigen, dass wir die Produktion umsetzen können. Da wir ein flüssiger Elektrolyt verwenden, der fest wird, können wir auf die klassischen flüssigen Produktionsverfahren zurückgreifen.

Wie weit sind Sie bei der Finanzierung?

Wir führen derzeit diverse Investorengespräche. Das Interesse ist gross. Leider auch oft aus Asien und den USA. Wir wollen die erste Gigafactory aber in der Schweiz bauen.

Wie wollen Sie die Finanzierung stemmen?

Wenn wir unsere Batterie vorstellen, hören wir immer zwei Kritikpunkte. Erstens: «es ist zu schön, um wahr zu sein». Und zweitens: «warum haben das die Chinesen nicht schon erfunden?» In der ersten Oktoberwoche halten wir eine Pressekonferenz ab. Da stellen wir eine Batteriezelle auf den Tisch, inklusive der Messdaten. Parallel dazu gibt es eine Veröffentlichung der Universität Freiburg, da
dort auch Messungen laufen. Im November folgt dann die Solid State Battery Conference in Los Angeles. Da trete ich als Gastredner auf. Sobald die Glaubwürdigkeitslücke geschlossen ist, dürfte es auch mit der Finanzierung schneller vorangehen. Daher rechne ich ab Herbst mit dem Durchbruch.

Ist der Börsengang kein Thema mehr?

Als wir den Börsengang planten, sah das Umfeld an den Finanzmärkten noch anders aus. Zudem änderte sich der Plan für die Fabrik. Statt zweistöckig bauen wir nun siebenstöckig. Nicht mehr im Thurgau, sondern in Graubünden. Das führte zu neuen Anforderungen an die Statik, zu einer anderen Produktionsplanung sowie zu neuen Materialflüsse. Dadurch stiegen die Kosten um 100 Mio. Fr. Wir haben aber auch inhaltlich optimiert. Ausserdem gab es Investoren, die sagten, «Wir haben grosses Interesse, aber bitte keinen Börsengang».

Warum kamen Sie in die Schweiz?

Wir kamen in die Schweiz, weil die Schweiz eine andere Aktienkultur hat als Deutschland. Fast jeder ist hier an Unternehmen beteiligt. Aus Finanzierungsperspektive bietet das ganz andere Möglichkeiten. Unsere Entwicklungsgesellschaft, die High Performance Battery AG hat rund 250 Aktionäre. Der Grossteil sind Schweizer. Man kann also sagen, die Schweizer haben die Entwicklung der Batterie finanziert. 400 Mio. Franken sind dann aber eine andere Nummer. Da braucht es auch institutionelle Investoren. Wie lange wird es dauern, bis nach dem Spatenstich in Domat/Ems produziert wird? Wenn wir die Finanzierung haben, können wir die Maschinen bestellen. Die Hersteller brauchen 18 Monate Lieferzeit. Parallel werden dann die Anträge eingereicht und gebaut.

Und warum hat China das nicht schon erfunden?

Mehr Innovationen entstehen nicht automatisch, wenn mehr Geld ausgegeben wird oder es mehr Köpfe hat. Nehmen wir als Beispiel die Reifenindustrie. Die zu Grunde liegende Vulkanisation von Kautschuk wurde von Charles Goodyear per Zufall entdeckt. Sein Rohstoff fiel in die Asche vor dem Küchenherd. Zufall spielte auch bei uns eine wichtige Rolle. Wir haben nicht an der Feststoffbatterie geforscht, sondern daran, warum Batterien altern.

Wo sehen Sie die Einsatzmöglichkeit Ihrer Batterien?

Das grösste Potenzial sehe ich beim Speichern von Energie aus Sonne und Wind bei der Energiewende. Dann folgt die Industrie, Heimspeicher und die Speicher für die Elektroladestationen. Die E-Mobilität ist für uns nicht so entscheidend.

Wie profitabel wird Swiss Clean Battery sein?

Unsere Feststoffbatterie ist in der Herstellung flüssig, dadurch können wir auch die bekannten flüssigen Produktionsverfahren verwenden. In unserer Fabrik werden die gleichen Anlagen stehen wie in anderen Gigafabriken. Wir müssen die Produktionsprozesse nicht komplett neu erfinden. Das macht auch die Skalierung einfacher. In unserem Business-Plan rechnen wir sehr konservativ mit den Marktpreisen und auch dem Preisverfall der künftigen Batterien. Obwohl unsere Batterie eigentlich viel mehr kann, langlebiger und unbrennbar ist, beispielsweise. Gleichwohl sind wir profitabel.

Und was bedeutet das in Zahlen?

In der 7,6 GWh-Ausbaustufe erwarten wir einen Umsatz von 2,2 Mrd. Franken und einen EBITDA von 492 Mio. sowie einer Gewinnmarge von 9,8%.

Welche Materialien stecken in Ihren Batterien?

In unserer Batterie stecken Standardrohstoffe, beispielsweise Schwefel-Eisen Gemische, Schwefeldioxid und Grafit. Wir kommen somit ohne kritische Rohstoffe aus, beispielsweise ist kein Kobalt enthalten.

Damit umgehen Sie auch die Abhängigkeit von China?

Grundsätzlich wollen wir fast alles aus der Region beziehen. Dazu haben wir extra ein Einkaufsprojekt durchgeführt. Grafit können wir aus einer Mine aus der Türkei beziehen. Andere Chemie kommt von Brenntag aus Basel. Wir sind nicht von den seltenen Erden aus China abhängig. Wir machen Lokal aus Lokal. Wir haben einen Grundsatzentschluss gefasst, dass wir nicht mit chinesischen Unternehmen arbeiten. Wenn man die Historie anschaut bei den Maschinenbauern, dann tauchten nach den Messen schnell sehr ähnliche Maschinen auf mit anderer Lackierung. Das wollen wir vermeiden. Zudem ist es ein Rechts-Raum, wo man nur ganz schwer klagen kann.